Sashverstand

Toleranzkeule

Es scheint inzwischen ein weit verbreitetes Mittel zu sein, ins Auge gefasste Maßnahmen zum Umgang mit schädlichem Verhalten in Bezug auf Klima- und Tierschutz mit dem rücksichtslosen Versuch der Freiheitsberaubung des unbedarften Bürgers gleichzusetzen. Auch Christian Lindner darf als Häuptling des Neoliberalismus hierbei natürlich nicht fehlen. Er legt in Folge des von ihm zuletzt selbst etablierten Schnitzel-Populismus und dem darauf folgenden Kacksturm nochmal nach und ebnet sich und all jenen, die sich weiterhin einer zielführenden Debatte um Nachhaltigkeit verschließen, schon mal vorsorglich den Weg in die Opferrolle der gefühlt erlittenen Intoleranz.

„Was kann ich dafür, wenn der Chef der @Die_Gruenen in der @DIEZEIT schreibt, Fleischkonsum gehöre „verpönt“? 🤷‍♂️ Wer will, lebt #vegan oder isst #Schnitzel. Ich bin für #Freiheit und #Toleranz. Und für smarte Wege, Fleisch klimaneutral und nachhaltig zu machen. Das geht.“

Christian Lindner

Einmal ganz davon abgesehen, dass diese Aussage jeglicher ethischer und wissenschaftlicher Grundlage entbehrt und Habeck das so nie gesagt hat, spielt Lindner hier exakt mit den Mitteln, die progressives, selbstkritisches Denken mit dem Ziel der persönlichen Weiterentwicklung im Wandel der Zeit blockieren (sollen). Er will damit in etwa sagen: „Wenn ihr bösen Ökos mir mein Schnitzel wegnehmen und mich zwingen wollt, Tierleben zu retten, dann seid ihr aber ganz schön intolerant und wollt mir meine Freiheit nehmen.“ Was natürlich ausgemachter Unfug ist. Denn von der Freiheit und Unversehrtheit der Tiere, die weiterhin wie gewohnt auf dem Teller landen sollen, ist hier leider gar nicht die Rede. Die haben anscheinend keinerlei Toleranz und Empathie verdient. Und dieser Umstand soll wohl am besten widerspruchsfrei eingepreist und großflächig akzeptiert bleiben. Hauptsache, man bringt niemanden an den Rand seiner persönlichen Gewohnheiten. Wo kämen wir denn da hin, wenn man sich in Sachen Konsum am Ende selbst hinterfragen und einen ersten Schritt tun müsste und somit die empört kommentierten „Verbotsfantasien“ der viel zitierten „Ökofaschisten“ fast schon wieder obsolet würden?

Im Angesicht des täglichen Wahnsinns der Massenschlachtung von Tieren und der damit einhergehenden, massiven Beeinträchtigung der Umwelt, auf diese Weise Toleranz für ewiggestrige Standpunkte einzufordern, ist ein wenig so, als würde jemand, der regelmäßig seine Frau schlägt, für sein Verhalten um Toleranz bitten, mit der Begründung, dass er ja schließlich auch toleriere, dass andere ihre Frau nicht schlagen. Kann man so machen, ist dann halt aber entlarvend dreist und relativierend.